Preisträger der 24. Ausschreibung des Südwestmetall-Förderpreises

Foto Preisträger 2015

Dr. Andreas Haupt (Preisträger)

 

 

Am 15. April 2015 erhielt Herr Dr. Andreas Haupt von der Fakultät für Geistes- und Sozialwissen-schaften den mit 5.000 € dotierten Südwestmetall-Förderpreis für seine Doktorarbeit Lohnungleichheit durch soziale Schließung.

 

Kurzfassung der Dissertation „Lohnungleichheit durch soziale Schließung“

Warum verdienen Arbeitnehmer in unterschiedlichen Berufen unterschiedlich viel und warum erhöht sich die Lohnungleichheit in Deutschland immer mehr? Die Dissertation leistet einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen, indem sie die Wirkung unterschiedlich starker Marktzutrittsbarrieren für unterschiedliche Berufe auf Löhne in Deutschland analysiert. Berufsspezifische Marktzutrittsbarrieren können sich in Rekrutierungsschemata von Firmen äußern, bei der in hohem Maße Bewerber mit einem spezifischen Berufsabschluss in Betracht gezogen werden (wie bei Ingenieuren, Augenoptikern oder Bankfachleuten). Sie finden sich aber auch in gesetzlich verankerten Vorschriften, so genannten Lizenzen, über die Rekrutierung von Ärzten, Richtern oder Logopäden. Die Arbeit zeigt: Je stärker diese Art der berufsspezifischen Rekrutierung ist, a) desto höher sind die Löhne der Arbeitnehmer; b) desto geringer ist die Lohnungleichheit innerhalb des Berufs und c) desto geringer sind Lohndifferenzen unter anderem zwischen Männern und Frauen innerhalb des Berufs. Die Arbeit kann darüber hinaus belegen, dass sich diese Phänomene entwickeln, wenn die Rekrutierung von Firmen über viele Jahre berufsspezifischer wird. Soziale Schließung erhöht somit die Ungleichheit zwischen und die Gleichheit innerhalb von Berufen. Die Arbeit folgt der Idee, dass Firmen je nach mit dem Arbeitsplatz verknüpftem Berufsbild Mitarbeiter in unterschiedlicher Art und Weise rekrutieren und zum Teil aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen rekrutieren müssen. Viele, bisher dominierende Modelle über das Rekrutierungsverhalten von Firmen ziehen berufsspezifische Unterschiede nicht in Betracht. Im deutschen Arbeitsmarkt hat jedoch der Beruf eine traditionell starke Stellung. Personalverantwortliche ziehen aufgrund dieser starken Bedeutung der Berufsausbildung für die Besetzung einer Stelle denkbare Alternativen systematisch nicht in Betracht. Dadurch entstehen voneinander abgeschlossene, berufsspezifische Arbeitsmärkte. In einem ersten Schritt wird vom Autor systematisch die bestehende Literatur über Rekrutierungsverhalten ausgewertet (Kapitel 2). Es wird diskutiert, wie bestehende Modelle verändert werden müssen, wenn sie den Fall berufsspezifischer Rekrutierungspraktiken abdecken sollen. In Kapitel 3 wird ein Instrument entwickelt, das die Stärke berufsspezifischen Rekrutierungsverhal-tens von Firmen ohne gesetzliche Bestimmungen misst. Es gibt zum Beispiel kein Gesetz, dass Firmen vorschreibt, für bestimmte Arbeitsplätze nur Maschinenbauer einzustellen – auch wenn dies mit hoher Wahrscheinlichkeit so erfolgt. In Kapitel 4 wird aufgrund einer erschöpfenden Analyse deutscher Berufsgesetzgebung ein Instru-ment erstellt, mit dem Berufe identifiziert werden können, deren Berufsausübende aufgrund gesetzlicher Regelungen auf für sie bestimmte Arbeitsplätze rekrutiert werden müssen. Durch diese Gesetze entstehen staatlich regulierte, berufliche Monopole. In beiden Kapiteln kann ein Lohn erhöhender Effekt der Abgeschlossenheit beruflicher Arbeitsmärkte nachgewiesen werden. In Kapitel 5 wird der Frage nachgegangen, ob der Anstieg der Lohnungleichheit in den letzten zwan-zig Jahren berufsspezifisch getriebenen wurde. Es wird nachgewiesen, dass einzelne Berufe in der Spitze der Lohnverteilung (Bankfachleute, Manager, Unternehmensberater) sowie am unteren Rand der Lohnverteilung (Gebäudereiniger, Kellner, Hotelfachangestellte) besonders stark zum Anstieg der Lohnungleichheit beitragen. Kapitel 6 stellt die Frage, welche Rolle berufsspezifische Rekrutierung für den Anstieg der Lohnun-gleichheit spielt. Die zentralen Ergebnisse lauten: a) Wenn die Rekrutierung berufsspezifischer wird, wirkt sich dies positiv auf die Löhne der Beschäftigten aus. Dies ist u.a. bei IT-Fachkräften oder Industrieelektroniker der Fall. b) In den letzten 20 Jahren haben sich die Löhne zwischen Berufen mit starken und schwachen Marktzutrittsbarrieren immer stärker erhöht. c) Starke berufsspezifische Zutrittsbarrieren senken die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen im Beruf. Da Frauen in den letzten 20 Jahren verstärkt Berufe mit solchen starken Zugangsbarrieren ergreifen (u.a. als Anwälte, Fluglotsen oder in der Pharmazie), senkt dies die Geschlechterlohnlücke in Deutschland. Die Arbeit analysiert abschließend, welche Effekte die Abschaffung des Meisterzwangs in 51 von 92 deutschen Handwerken hatte. Hier zeigt sich, dass mit der Abschaffung Lohnnachteile in besonderer Weise für Niedrigqualifizierte und ältere Arbeitnehmer entstehen. Diese Arbeitnehmertypen reagieren auf die erhöhte Konkurrenz in diesen Märkten viel stärker, weil sie mit deutlicher geringerer Wahrscheinlichkeit gegenüber ihren Arbeitgeber Verhandlungsmacht aufbauen können.