Interview mit dem Alumnus Helmut Buerkle

Helmut Bürkle

Geboren am 11.04.1922 in Pforzheim, begann Helmut Bürkle im Herbst 1940 sein Bauingenieurstudium an der damaligen Technischen Hochschule. Im August 1941 musste er sein Studium unterbrechen und in den Krieg ziehen. Erst fünf Jahre später war ein Weiterstudieren in Karlsruhe möglich. Helmut Bürkle lebt heute mit seiner Frau in Freiburg. Er zog fünf Kinder groß und hat inzwischen 15 Enkelkinder. Eléna Fichtner sprach mit ihm über das Studium zur Zeit des Nationalsozialismus und unter amerikanischer Besatzung.

Herr Bürkle, warum wollten Sie damals in Karlsruhe studieren?
Karlsruhe war die nächstliegende Universität. Ich habe in Pforzheim gewohnt und bin die ersten Trimester 1940/41 mit dem Zug hin und her gefahren. Damals war es überhaupt nicht üblich sich im ganzen Land über die Studienmöglichkeiten zu informieren. Für mich kamen allenfalls noch Stuttgart oder Darmstadt in Frage. Außerdem hatte ich Freunde in Pforzheim, die schon mit dem Bauingenieurstudium in Karlsruhe begonnen hatten, auch deswegen fiel die Wahl auf die Fridericiana.

Was war die Vorraussetzung für eine Zulassung zum Studium?
Wie auch heute: das Reifezeugnis. Zusätzlich mussten wir damals vor der Zulassung den Reichsarbeitsdienst abgeleistet haben. Ich war in der Nähe von Stuttgart und habe einen offenen Abwasserkanal verrohrt. Da ich mich freiwillig für den Arbeitsdienst gemeldet hatte, habe ich nur vier Monate abgeleistet, anstatt einem halben Jahr.

Wie gestaltete sich ihr Studium damals?
Das Studienjahr war in Trimester eingeteilt. Im ersten Semester hatte ich beispielsweise 16 Semesterwochenstunden (SWS) und sechs Übungsstunden. Das waren sieben Fächer. Im zweiten Semester kam es dann knüppeldick. Da hatte ich 22 Vorlesungsstunden und 12 Übungsstunden (11 Fächer). Man wusste welche Fächer man für die Prüfung belegen musste und hat sich danach seinen Stundenplan zusammengestellt. Es ist ja auch nicht jedes Fach in jedem Semester angeboten worden. Abgeschlossen wurde das Studium mit dem Diplom.

Hatte der Nationalsozialismus Einfluss auf die Lehre an der Universität?
Das hatte er mit Sicherheit, auch wenn es sich unterschiedlich bemerkbar gemacht hat. Ein Professor beispielsweise hielt seine Vorlesungen in SA Uniform. Bei einer Veranstaltung stellte er uns dar, dass es der arische Teil von Heinrich Hertz war, der die elektromagnetischen Wellen entdeckt hatte, nicht der Jüdische. Ein Jude konnte ja so was nicht entdeckt haben, war die Begründung.

Gab es ein besonderes Erlebnis während ihrer Studienzeit?
Als ich 1946 nach dem Krieg wieder nach Karlsruhe kam, traf ich Herrn Prof. Schaffhauser, der mich 1941 beispielsweise in Erdbau unterrichtete, zufällig an einer Straßenbahnhaltestelle. Er erkannte mich und sagte: „Herr Bürkle, ich freue mich, dass sie überlebt haben.“

Wie weit waren sie in Ihrem Studium, als sie in den Krieg ziehen mussten?
Drei Trimester. Ich konnte sogar noch einen Teil der Vorprüfung machen. Ich hatte das Glück, dass ich relativ früh, schon im August 1945, aus der englischen Kriegsgefangenschaft zurückgekommen bin. Ich habe mich dann in den Raum Nürnberg entlassen lassen, weil dort meine spätere Frau wohnte. Im Herbst ging ich wieder nach Karlsruhe. Dort habe ich gesehen, dass ein paar Gestalten mit der Schaufel in der Hand Schutt wegräumten, daraufhin habe ich mich ebenfalls gemeldet. Ich habe ein halbes Jahr nichts anderes gemacht, als an der Hochschule aufgeräumt.

War dies die Voraussetzung dafür, dass sie weiter studieren durften?
Die Vorraussetzung war - glaube ich - 200 Stunden Arbeitseinsatz, aber wir haben gar nicht danach gefragt. Wir wussten: wenn wir die Universität nicht freischaufeln, dann passiert gar nichts. Im März 1946 hat dann der Lehrbetrieb wieder begonnen. Wir Kriegsteilnehmer hatte einen kleinen Bonus. Wir haben unseren Prüfungsstoff gelernt und wenn wir soweit waren, sind wir zum Professor gegangen und vereinbarten einen Prüfungstermin. Wir waren also an keinen Prüfungstermin am Ende des Semesters gebunden. Nach dem Krieg bin ich zweimal durch die Prüfung in Elektrotechnik gefallen. Auch damals war es so, dass man eigentlich nur zwei Versuche hatte. Ich habe dann mit dem Prüfer über seine Notengebung diskutiert und durfte schließlich noch ein drittes Mal antreten, mit Erfolg!

Mussten Sie Hörergebühr zahlen?
Ja, wir mussten Unterrichtsgeld zahlen. Die Höhe richtete sich nach den Veranstaltungen, Vorlesungen haben beispielsweise zwei Mark gekostet. Außerdem mussten wir allgemeine Studiengebühren und Sozialbeiträge zahlen. Die Gesamthöhe lag in aller Regel bei 200 Mark pro Semester.

Welche Vergnügungen gab es damals nach den Vorlesungen?
Ich erinnere mich an hinreißende Architektenbälle im Studentenhaus. Der Ball hieß damals „Archiwabohu“. Ich war natürlich auch immer auf den Festen im Corps Haus.

Hatte die amerikanische Besatzung einen Einfluss auf die Lehre?
Nein. Ich erinnere mich allerdings noch, dass der Höpfner ein Lokal für Amerikaner war. Eine meiner ersten Aktivitäten als Bauleiter, nach meinem Examen, war die Instandsetzung der Damen- und Herrentoiletten im Café Höpfner. Die Amerikaner hatten diese völlig ruiniert. Sie hatten beispielsweise Sprengkörper in die Toiletten gesteckt und Löcher in die Wände zur Damentoilette gebohrt, damit sie durchgucken konnten.

Wollen Sie den heutigen Studierenden etwas mit auf den Weg geben?
Durch meine Mitgliedschaft im Corps Friso-Cheruscia habe ich noch viel Kontakt auch zu den heutigen Studierenden. Gott sei Dank können die Studierenden heute viel weltoffner sein, als wir es je gekonnt hätten, selbst, wenn wir gewollt hätten. Wir konnten weder nach Frankreich noch nach England, das war der böse Feind. Wir hätten vielleicht nach Italien gehen können, aber das hat man nicht gemacht. Das ist etwas, worum ich die Studenten heute beneide. Für uns war das damals unvorstellbar. Auf den Weg geben möchte ich zwei Empfehlungen: Seien Sie immer neugierig und offen für Neues und immer dazu bereit, mehr zu leisten, als man von Ihnen erwartet.

Vielen Dank für das Gespräch!