Yi-Heng Cheng

Yi-Heng Cheng

Sie haben in Karlsruhe Chemieingenieurwesen studiert und Ihre Laufbahn eigentlich schon fast „klassisch“ bei einem großen Chemieunternehmen gestartet.  Wie haben Sie den Berufseinstig geschafft?

Eigentlich wollte ich nach meinem Studium zurück nach Taiwan und war auch schon in Gesprächen mit Firmen, die mich einstellen wollten. Aber es gab immer wieder Verzögerungen. Von derKübelStiftung habe ich die Einladung zu einem Seminar bekommen, bei welchem man als ausländischer Student deutsche Unternehmen kennen lernen konnte. Wir haben etwas BWL gelernt und einige Unternehmen besucht und zudem ein Gespräch mit der Arbeitsagentur geführt. Der Mann fragte mich, ob ich in Deutschland arbeiten möchte und als ich sagte, dass ich mir das vorstellen kann, meinte er nur, die BASF mit zunehmenden Aktivitaeten in Asien könnte einen wie mich brauchen.  Also habe ich mich beworben und nach dem ersten Gespräch war ich eingestellt.

 

Während der 21 Jahre bei BASF haben Sie vor allem im Ausland gearbeitet. Sie haben die BASF Vertretung für Süd-Ost-Asien in Singapur aufgebaut und weitere verantwortungsvolle Aufgaben übernommen. Warum haben Sie die BASF verlassen?

Nach so langer Zeit hatte ich ganz einfach das Bedürfnis, etwas anderes zu tun. Zunächst hab ich als CEO gearbeitet – ich habe aber schnell festgestellt, dass das eigentliche Problem war, dass ich einfach nicht mehr für jemand anderen arbeiten wollte. Also habe ich das Arbeitsverhältnis wieder beendet. Ich hatte mir ein gutes Netzwerk aufgebaut und mit einem Senior einer Consulting Firma gegrundet. Dazu kam es, dass ich zwei Bücher renommiertendeutschen wissensschaftlichenAutoren vom Deutschen ins Chinesische übersetzen durfte:  als erstes,  Friedrich von Schmidt-Bleeks „nutzen wir die Erde richtig“ und kurz danach Ernst von Weizäckers „Faktor 5“. Inzwischen habe ich ein drittes Buch übersetzt, „Blue Economy“ von Gunter Pauli. Die Bücher haben mich dazu bewegt, meinen Fokus zu verändern. Eigentlich hatte ich bereits während der letzten acht Jahre bei der BASF das Thema Responsible Careund Nachlaltigkeit behandelt – bei einem Treffen mit Schmidt-Bleekkennengelernt. Damals habe ich natürlich die Aktivitäten der BASF sehr positiv dargestellt und wir haben heftig diskutiert. Offensichtlich hat es dem Vertrauen aber nicht geschadet!

 

Welche Überlegungen beschäftigen Sie heute?

Als Student hatte ich ein tiefes Vertrauen in die Technik. Heute überlege ich, ob das der einzige Weg ist. Ich würde sagen: der Mensch ist immer noch das Zentrum. Und deshalb sollten Unternehmen nicht nur wenn es ihnen gut geht, dann sich erst um die Gesellschaft kümmern. Es ist wichtig, die Akzeptanz von Technik in der Gesellschaft zu prüfen und sich den Bedenken zu stellen, auch wenn diese nicht immer rational sind und vielleicht sogar durch Studien widerlegt werden können. Der Mensch handelt nicht immer rational und die Sorge ist nicht immer steuerbar. Aber um Projekte und Innovationen nicht scheitern zu lassen, muss man Mut haben und diese Sorgen und Ängste zu ernst nehmen. Zudem habe ich inzwischen ein Innovationslab an der Tongji Universität in Shanghai gegruendet. Ich hoffe, damit können wir innovative Ideen fördern, die Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gemeinsam beachten.

 

Wie haben Sie in den 70er Jahren Ihren Start in Karlsruhe erlebt?

Es war eine Herausforderung! In Taiwan habe ich bereits Chemieingenieurwesen studiert, und in Deutschland, gab es nur Karlsruhe, die Chemieingenieurwesen anbot. Viele Taiwanesen gehen während ihres Studiums ins Ausland und so war das auch bei mir. Die meisten gehen in die USA, aber ich wollte ein anderes Land sehen. Ein Verwandter hatte mir dann Deutschland vorgeschlagen. Abends habe ich dann ein bisschen Deutsch gelernt und dadurch, dass ich Karlsruhe noch Leute kannte und zudem einfach sehr neugierig war, hatte ich gar keine Angst davor, den Sprung zu wagen.Trotzdem hatte ich erst 3 bis 4 Jahre fast jeder Woche einen Brief nach Taipei an meine Eltern geschrieben über alles, was ich gesehen, gedacht und gelernt habe.

 

Haben Ihre Deutschkenntnisse denn für das Studium ausgereicht?
Eigentlich sollte ich vor dem richtigen Studium noch ein Jahr ins Studienkolleg. Aber da ich schon ein Studium in Taiwan gemacht habe, war mir der Stoff zu einfach. Ich bin also zu Prof. Griesbaum (Petrochemie) gegangen und habe ihn gefragt: wie kann das Studium ohne Studienkolleg beginnen. Er brachte mich zu Prof. Bier (Dekan, Thermodynnamik) und der bot mir an, meine deutschen Sprachkenntnisse in 5 Minuten zu prüfen. Ich habe also einen 5 minütigen Vortrag vorbereitet in perfektem Deutsch und ohne die Zeit für Rückfragen zu lassen. Prof. Bier war zufrieden und hat mich zu den Vorlesungen zugelassen – unter der Voraussetzung, dass ich ein Jahr später dann die offizielle Deutschprüfung ablege.  Das hat mir sehr geholfen.  In einen Jahr hatte ich dann meine Spracheprüfung bestanden – meine Deutschkenntnisse kommen also weniger aus dem Unterricht als vom Biertrinken und Feste feiern im HaDiKo.

 

Was verbindet Sie noch heute mit Karlsruhe?

Die Ausbildung am KIT hatte einen hohen Standard. Sie hat eine solide Grundlage für meinen Berufsweg gelegt. Bis heute kann ich noch das Wissen und Methoden gut gebrauchen. Ausserdem hatte ich eine sehr gute Zeit in Karlsruhe – gute Professoren und vor allem sehr gute Freunde, die noch in Karlsruhe leben! Ausserdem: Karlsruhe ist auch die Stadt,  in der ich meine Frau Lee Lu kennengelernt habe!