Interview mit Alumnus Carsten Spohr

Carsten Spohr

Carsten Spohr leitet als Vorstandsvorsitzender die Geschicke der Lufthansa Cargo AG und stellt sich in Zeiten der Wirtschaftskrise und der weiter zunehmenden Globalisierung großen Herausforderungen.

Anja Thunert erzählter, warum sein Studium in Karlsruhe ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu seiner heutigen Position war.

Herr Spohr, Sie sind in Wanne-Eickel geboren und haben dort auch das Gymnasium besucht.

Wieso haben Sie sich für ein Wirtschaftsingenieurstudium in Karlsruhe entschieden? Welche Erfahrungen im Studium waren für Sie wichtig und was konnten Sie daraus für Ihren heutigen Beruf mitnehmen?
Ich habe mein Abitur 1987 abgeschlossen. Das Karlsruher Wirtschaftsingenieurstudium hatte damals mit Abstand den besten Ruf für eine breit angelegte Grundausbildung. In meinen letzten zwei Schuljahren entschied ich mich schon für ein Wirtschaftsingenieurstudium - aufgrund meines großen Interesses für Technik und weil mein Berufsziel im Management lag. Bevor ich mein Studium in Karlsruhe aufnahm ging ich für ein Praktikum in die USA, wo ich auch schon einen Teil meiner Schulzeit verbracht hatte. Insgesamt bietet die Karlsruher Universität eine breite Grundausbildung an – das ist für mich einer der wesentlichen unschätzbaren Vorteile – und diesen Vorteil finde ich in den heutigen Studenten in Karlsruhe immer wieder bestätigt. Im Vordiplom durchlebt der Studentdurch das hohe Niveau einen gewissen Leidensdruck.

Für den späteren Berufsweg zahlt sich aber gerade das aus. Als Wirtschaftsingenieurabsolvent ist man sehr schnell in der Lage, sich in unterschiedliche Funktionen einzuarbeiten. Heute wie damals halte ich auch den Einblick in die Praxisfür nötig. Mich hat mein erstes Praktikum bei einer Bank in New York für das Thema Banking begeistert – und diese Begeisterung hält bis heute an.

Mein technisches Praktikum – und für mich das wichtigste - führte mich dann über mehrere Monate zur Lufthansa nach Frankfurt. Diese erste Begegnung mit der Lufthansa als Arbeitgeber war für mich sehr prägend - und so bin ich dem Unternehmen bis auf wenige Unterbrechungen treugeblieben.

Was ist Ihrer Meinung nach für einen heutigen Absolventen der Wirtschaftswissenschaften wichtig? Worauf sollte er im Studium achten?
Die Geschwindigkeit im Studium hatte bei mir Vorrang vor der Auswahl der interessantesten Fächer. Heute empfehle ich Studenten, weniger pragmatisch zu studieren und das im Auge zu haben, von dem jeder für sich glaubt, später im Berufsleben profitieren zu können. Beispielsweise verstehe ich unsere Unternehmensbilanz bis heute nicht immer bis ins letzte Detail. Mit einer Vertiefung in einem anderen Schwerpunktthema wäre das vermutlich heute anders. Viele Studiengänge reduzieren heutzutage die Studenten leider sehr früh auf einzelne Themen. Das passiert im Berufsleben früh genug. Arbeitgeber haben meiner Ansicht nach große Vorteile, wenn sich der Absolvent im Studium auf unterschiedliche Art und Weise mit den verschiedensten hochkomplexen Themen auseinandergesetzt und dies auch schriftlich dokumentiert hat.

Wichtig ist auch bei der Wahl eines Studiums, es nicht aus reinen Karrieregesichtspunkten zu wählen. Der Erfolg bleibt dann im Beruf auf jeden Fall begrenzt, denn das Umfeld spürt, dass die Begeisterung und die Freude fehlen. Unverzichtbar ist heute auf jeden Fall das Beherrschen einer Fremdsprache. Ich konnte in meiner Schulzeit durch Auslandsaufenthalt in den USA so gut Englisch lernen, dass ich es heute wie meine Muttersprache spreche. Das bringt mir in meiner Position heute den Vorteil, bei geschäftlichen Verhandlungen mit Muttersprachlern auf Augenhöhe zu verhandeln.

Sie haben Ihre Karriere bei der Lufthansa begonnen. Welche Etappen gab es in ihrem beruflichen Werdegang? Hatten Sie nie selbst den Wunsch Pilot zu werden?
Doch. Pilot zu werden, war schon als kleiner Jungem ein Traum. Aber ich habe bei der Wahl der Ausbildung meinen Kopf und nicht meinen Bauchentscheiden lassen. Mein Bauch hatte erst nach Abschluss des recht theoretischen Wirtschaftsingenieurstudiums wieder etwas zu sagen.

Nach Beendigung meines Studiums nach sieben Semestern habe ich die Verkehrspiloten-Lizenz beider Lufthansa erworben. Die Idee, beide Ausbildungen miteinander zu kombinieren, konnte ich bei der Lufthansa verwirklichen: Die praktische Seite des Geschäftes mit den Piloten und die mehr abstrakte des Managements. Bis vor zwei Jahren flog ich noch selbst einmal im Monat Passagierflugzeuge. Meine heutige Position lässt leider regelmäßige Flüge nicht mehr zu – allerdingser halte ich meine Pilotenlizenz aufrecht durch entsprechende Flüge im Flugsimulator. Nach meiner Pilotenausbildung war damals bei der Lufthansa absoluter Einstellungsstopp. So ging ich zu Airbus und stieg in ein industrieweit führendes Trainee-Programm der zentralen Nachwuchsgruppe ein.

Der Einblick in ein anderes Unternehmen war für mich sehr wertvoll. Kurz danach erhielt ich dann 1994 von der Lufthansa ein Angebot für eine erste Führungsaufgabe im zentralen Personalmarketing. Diese Chance konnte ich als junger Ingenieur nicht vorbeiziehen lassen. Meine erste Aufgabe war das Recruiting von jungen Hochschulabsolventen, wovon ich damals selbst noch nicht weit weg war. Im Lufthansakonzern übernimmt man als Führungskraft alle drei bis vier Jahre eine neue Aufgabe. Ab 1995 war ich dann drei Jahre Referent des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Weber. 1998 übernahm ich als Leiter des Regional-Partner-Managements die Verantwortung für die regionalen Partnerschaften der Lufthansa in Europa.

Nach Übertragung der Leitung des Allianz-Managements der Deutschen Lufthansa ab 2000 für drei Jahre übernahm ich 2004 für ein Jahr die Verantwortung für die Passage-Strategie und die Passage-Beteiligungen der Deutschen Lufthansa.

Zuletzt wurde ich 2004 in den Bereichsvorstand der Lufthansa Passage Airline berufen und trug die Verantwortung für das Kabinenpersonal, die Hubmanagements und das Personalmanagement der Lufthansa Passage Airlines. Im Januar 2007 ernannte mich der Aufsichtsrat der LufthansaCargo AG zum Vorsitzenden des Vorstands der Lufthansa Cargo AG. Durch meinen Wechsel zum Luftfrachtverkehr hat sich der Schwerpunkt des Geschäfts vom Business to Consumer auf das Business to Business-Geschäft verlagert. In diesem Bereich haben Prozesse und logistische Abläufe eine noch sehr viel höhere Bedeutung als im Passagiergeschäft. Wirtschaftsingenieure begegnen hier aus dem Studium Einzelthemen beispielsweise aus dem Operations Research.

Mit welchen Strategien wollen Sie der Wirtschaftskrise und den wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft für die LufthansaCargo begegnen? Welche Herausforderungen stehen der Branche bevor?
Unternehmensziel der Cargoführung ist die Industrieführerschaft. Unser Fokus liegt dabei auf Qualität. In Deutschland betriebene Unternehmen nehmen auf der Kostenseite latente Nachteile in Kauf, die nur durch eine bessere Qualität als die des Wettbewerbs wettzumachen sind. Wer wie Deutschland Exportweltmeister ist und sich nicht von anderen Ländern wie z.B. China überholen lassen will, der muss auch beim Thema Transport und Logistik eine weltweit führende Rolle einnehmen.

Die Lufthansa Cargo nimmt diese Rolle wahr. Zu diesem Thema sind wir auch kontinuierlich mit der Bundesregierung im Dialog, damit die luft- und bodenseitige Infrastruktur in Deutschland den zukünftigen Anforderungen der deutschen Exportwirtschaft gerecht wird. Da wünschen wir uns zuweilen mehr Unterstützung. Mittelfristig wollen wir unsere Industrieführer im Bereich Luftfracht weiter ausbauen. Wir wollen unseren Kunden in allen wesentlichen Aspekten eine führende Dienstleistung anbieten. Dafür brauchen wir z.B. ein weltweites Streckennetz, eine zuverlässige Flotte und hochprofessionelles Personal. Durch die Gründung unserer neuen Airline „AeroLogic“ erschliessen wir uns – gemeinsam mit unserem Partner DHL Express – weitere Kapazitäten. Wir bieten unseren Kunden einen hohen „Value for Money“.

Sie wurden kürzlich von der Presse als „Umweltkapitän“ bezeichnet.
In der Tat haben wir das Thema Umweltschutz und Umweltökonomie stärker in den Unternehmensfocus gerückt, da unsere Kunden vermehrt eine führende Rolle von uns in diesem Bereich erwarten und wir selbst uns hier ebenfalls stark in der Verantwortung sehen. Weltweit sind wir eine der ersten Luftfrachtgesellschaften, die das Thema Umweltökonomie groß schreiben. Dazu gibt es mehrere Ansätze im Unternehmen, wie z.B. die Zertifizierung nach ISO 9000, einen Umweltpreis für Mitarbeiter, Kunden, Studenten und Forscher, mit dem wir innovative Ansätze in der Luftfracht prämiert haben. Mit unseren Mitarbeitern stehen wir im ständigen Dialog, um den Umgang mit unseren Ressourcen zu optimieren. Der sicher wieder steigende Ölpreis wird in den nächsten Jahren eine unserer größten Herausforderungen sein. Immerhin machen Treibstoffkosten schon mehr als 20 Prozent unserer Gesamtkosten aus.

Welches war für Sie die größte Herausforderung in den letzten zwei Jahren, seit Sie den Vorstandsvorsitz bei der Lufthansa Cargo übernommen haben? Welche Ziele möchten Sie bei Lufthansa Cargo erreichen?
Teile der Managementaufgaben oder Herausforderung bestehen darin, jeden Tag eine Lösung für die Probleme oder Themen zu finden, die in den klassischen Linienverkehrsorganisationen nicht gelöst werden können. Das reizt mich an meinem Job - kein Tag ist wie der andere. Ein Manager in meiner Position muss sich um Aufgaben kümmern, bei denen völlig unvorhersehbare Situationen zu bewältigen sind. Es geht dabei weniger um die Einzelentscheidung, sondern vielmehr um die tägliche Herausforderung, eine Führungsaufgabe wahrzunehmen. Wichtig ist es, täglich so viele Mitarbeiter wie möglich zu erreichen und sie zu motivieren, für dieses Unternehmen einen guten Job zu machen und mit Spaß bei der Arbeit zu sein. Der Schüssel moderner Unternehmensführung ist für mich die Kommunikation. Persönlich will auch ich Freude an dem haben, was ich tue.

Man sollte sich auch hier von Emotionen leitenlassen, in dem was oder wie man es tut. Hier im Unternehmen treibt mich selbst natürlich an, gemeinsam mit den Mitarbeitern am Erfolg der LufthansaCargo zu arbeiten.

Was ist Ihnen neben Ihrem Beruf wichtig?
Meine Frau und meine beiden kleinen Töchter.

Daraus schöpfe ich enorme Kraft. Es gibt für mich keine bessere Balance zu meinem anspruchsvollen Job, als meine Familie, vor allem das Lächeln meiner Kinder. Die Balance im Leben sollte das ultimative Ziel jedes Menschen sein – in der Kombination von Beruf, Privatleben, Hobbies und Sport. Dazu kommt bei mir Sardinien – mein Lieblingsreiseziel. Mir gefällt die Lockerheit und Selbstzufriedenheit der Italiener dort.

Vielen Dank für das Gespräch!