Interview mit Alumna Amel Karboul

Amel Karboul

Amel Karboul wurde in Tunesien geboren, kam nach dem Abitur nach Deutschland und studierte von 1992 bis 1996 Maschinenbau an der Universität Karlsruhe. Sie schloss als Jahrgangsbeste ab, damals die erste Frau, die das an der Uni Karlsruhe geschafft hat, und die erste Ausländerin. Heute ist die 36-Jährige Inhaberin ihrer eigenen Firma Change, Leadership & Partners mit Büros in den USA, Tunesien und Deutschland (Köln). Das Wirtschaftsmagazin BRAND EINS nennt sie „Die Herausragende“. Und sie ist herausragend: unkonventionell, offen, Muslimin, die zumeist Männer auch in den höchsten Vorstandsebenen berät, persönlich oder am Telefon. Für die transatlantische Vielfliegerin und Mutter von zwei kleinen Töchtern ist Work-Life-Balance sehr wichtig. So ist auch ein neues Medium wie Skype in ihren Alltag gewandert. Im Gespräch mit Claudia Reichert erzählt sie, wie sie ihren Weg gefunden hat.

Warum sind Sie zum Studium nach Deutschland gekommen und warum haben Sie sich für Karlsruhe entschieden?
Ich habe mir Deutschland bewusst ausgesucht wegen der Möglichkeit zur  freien Gestaltung. Ich habe mein Studium selbst gebastelt und in 8 Semestern meinen Diplomingenieur gemacht. Andere haben viel länger studiert, denen fehlte der Druck. Mich selbst hat diese Freiheit eher getragen. Eigene Ziele definieren und den Weg zu finden: diese Selbständigkeit hatte einen großen Lerneffekt für mein späteres Berufsleben. Ich komme aus einer frankophilen Familie, wo alles streng strukturiert ist. Daher war die Gestaltungsfreiheit im Studium für mich sehr wertvoll. Damals hatte ich Zusagen für Karlsruhe und Aachen. Karlsruhe kam mir irgendwie grüner und sonniger vor, der Campus hatte so viele menschliche, weniger rationale Züge und die Stadt liegt so nah an Frankreich. Ich habe Maschinenbau studiert und war überrascht, dass so wenige Frauen in meinem Semester waren.

Sie waren Gründungsmitglied der 1992 gegründeten Tunesisch wissenschaftlichen Gesellschaft e.V. und haben sicherlich hart gearbeitet, um mit so großem Erfolg und mit erst ein paar Jahren Deutschkenntnissen abzuschließen. Wie haben Sie die Zeit außerhalb des Lernens an der Uni Karlsruhe empfunden?
In meiner Studienzeit habe ich in der Stadt gewohnt und habe mich oft ein wenig einsam gefühlt. Besonders an den Feiertagen, wenn meine deutschen Freunde bei ihren Familien waren. Als ich das erste Mal Weihnachten in Karlsruhe verbrachte, war auf dem Campus gähnende Leere. Ich hätte mir gewünscht, dass sich jemand für die ausländischen Studierenden zuständig fühlt und so eine Art „campus feeling“ existiert, wie an den US-amerikanischen Hochschulen. Die familiäre Atmosphäre hatte mir sehr gefehlt.

Wie ging es dann weiter?
Nach dem Studium bin ich direkt zu Daimler in eine internationale  Nachwuchsgruppe und war als Trainee in Südafrika. Dann arbeitete ich als Beraterin bei der Boston Consulting Group. Nach einem Sabbatical ging ich in eine systemische Unternehmensberatung in Wien. Mir war schon früh klar, dass Beratung das richtige für mich ist, nur wollte ich nicht reines Business und auch nicht reine Psychologie-Beratung, sondern eine Kombination daraus – die Vereinigung der Logik der Zahlen und der Macht der Gefühle. In Wien fand ich das und blieb 5 Jahre, bis ich mich im Juli 2007 selbständig gemacht habe. Ich habe über drei Jahre eine klassische Coaching-Ausbildung gemacht und sehr viele Weiterbildungen. 15 Tage im Jahr besuche ich im Schnitt Weiterbildungen.

Sie sprechen fünf Sprachen. Eine Hilfe im Beruf?
Klar, das Umfeld ist sehr international. Ich kommuniziere mit Kunden in Arabisch, Englisch, Französisch und Deutsch. In Spanisch kann ich mich verständlich machen.

Heute gibt es Ihre Alma mater in der Form nicht mehr. Was sagen Sie zur  Neuentwicklung hin zum KIT?
Wenn ich die inhaltliche Ebene betrachte, ist dieser Zusammenschluss zukunftsweisend. Karlsruhe hat unglaublich viele Fähigkeiten. In meinem Studium hatte ich wenig mit dem Forschungszentrum zu tun, finde diese Möglichkeit für die Studierenden aber sehr spannend. Ich glaube, dass Praxis und Forschung näher zusammengebracht werden müssen. Karlsruhe hat technisch viel drauf, was man sehr gut vermarkten kann. Dabei ist Interdisziplinarität sehr wichtig. Maschinenbauer, Informatiker, Wirtschaftswissenschaftler, Architekten – sie sollten zusammenarbeiten und Grenzen überschreiten, darin liegt die Innovation.

Was glauben Sie muss man als Studierender mitbringen, um Ihren Beruf auszuüben?
Diesen Beruf kann man nach dem Studium nicht einfach so machen, Berufserfahrung ist hier immens wichtig. Darüber hinaus braucht man unheimlich viel Neugier und muss zuhören können. Eine Mischung aus analytischem Verständnis, also komplexe Sachverhalte der Wirtschaft einfach darstellen können, und Empathie für den Gegenüber sollte man mitbringen. Also lernen, die eigenen Schwächen zu lieben und die Schwächen anderer Menschen zu respektieren. Kommunikationsfähigkeiten und Selbstreflexion sind wichtig, also das Verständnis darüber, wie Veränderungen auf organisatorischer Ebene passieren und wie es den Menschen damit geht.

Sie haben einen Mann und zwei Töchter und bewegen sich zwischen Büros in Köln, Virginia in den USA und Tunis in Tunesien. Halten Sie die Work-Life-Balance?
Wenn ich ehrlich bin, war es ein harter Kampf mit mir selbst, aber inzwischen kann ich es. Leider musste ich es auf die harte Tour lernen. Ich habe irgendwann selbst ein Coaching in Anspruch genommen. Als „workaholic“ bin ich super leistungsorientiert und brauche dazu ein ganz bestimmtes Umfeld. Dies muss jeder für sich selbst herausfinden. Entweder man hat ein Umfeld, das einen ergänzt, bremst oder puscht. Mir ist darüber hinaus bewusst geworden, dass ich auch viel für meinen Körper tun muss. Nach den Geburten war ich in den ersten Jahren körperlich sehr gefordert, ich begann Sport zu machen. Privat habe ich alles klar strukturiert und terminiert. Nach ein paar Jahren kam aber auch die innere Ruhe, ich wurde gelassener und es wuchs die Vertrautheit im Leben. Die Gefahr ist, zu wenig Zeit für sich zu haben. Ich musste mich von meinem Perfektionismus verabschieden, denn man kann nicht in allem super sein. Meine Kunden, meine Familie und meine Freunde sind sich einig: ich bin schwer erreichbar. Das ist so, weil ich so viele verschiedene Sachen gleichzeitig mache. Aber  ich habe endlich die Gelassenheit, dass ich damit leben kann. Ich hatte eine „soften“ Einstieg in die Selbständigkeit, anfangs als Partnerin in Wien. Die Firma war sehr leistungsorientiert. Viele Kunden haben mich unterstützt und sind mitgegangen, als ich in die Selbständigkeit ging. Ich wollte eine eigene Firma, wo nur ich die Inhaberin bin. Ich darf entscheiden und ich bestimme meinen eigenen Rhythmus. Vielleicht nehme ich mir mal zwanzig Sachen vor und mache dann nur fünf, aber die fünf Sachen werden super, weil ich meinen eigenen Rhythmus leben kann. Die restlichen 15 Sachen mache ich dann halt im nächsten Jahr.

Bei längeren Reisen nehmen wir die Kinder mit, oder lassen die Großeltern einfliegen. Es funktioniert irgendwie.

Frau Karboul, wenn Sie aus Ihrem Bürofenster schauen, was sehen Sie?
Wenn ich aus meinem Kölner Büro schaue, sehe ich auf einen 90 Quadratmeter Garten im Feng Shui Design mit einem Rosenbogen, einem ausgetrockneten Bach und einen schönen großen Baum. Wir haben uns mit dem Garten viel Mühe gegeben. Mein Mann hat sich totgelacht und zieht mich auf, in dem er sagt ich hätte für den Garten mehr Beratung gehabt als für den Central Park in New York City. Schon immer habe ich mir ein Büro mit Ausgang zum Garten gewünscht, es ist wunderbar.