Interview mit dem Alumnus Jan Bergmann

Jan Bergmann

Jan Bergmann, geboren am 2.10.1927, hat von 1948 bis 1952 an der damaligen Technischen Hochschule Karlsruhe Elektrotechnik studiert. Das Studium absolvierte er unter den schwierigen Verhältnissen der Nachkriegszeit, dennoch hat er schöne Erinnerungen an seine Studienzeit in Karlsruhe. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als leitender Stadtbaudirektor bei den Stadtwerken Karlsruhe.

Inwieweit hat der Krieg Ihr Leben vor dem Studium beeinflusst?

Ich bin in Karlsruhe aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Als 1941/42 über Karlsruhe Bomben abgeworfen wurden, hat meine Mutter beschlossen, dass wir nach Konstanz gehen. Ihre Schwester lebte dort. Durch einen Wohnungstausch sind wir nach Konstanz gezogen. Im Gegensatz zu anderen Städten wurde in Konstanz auf eine Verdunkelung verzichtet, so dass die Stadt für die alliierten Bomber nicht von der Schweizer Nachbarstadt Kreuzlingen zu unterscheiden war. Das war anfangs ungewöhnlich. In Karlsruhe durften wir nicht einmal eine Taschenlampe einschalten. Konstanz blieb von Bombenangriffen verschont. In Konstanz war ich auf dem Realgymnasium. Das Kriegsende habe ich dort erlebt. Kurz bevor die Franzosen in die Stadt einmarschiert sind, habe ich das Notabitur erhalten.

Was hat Sie zum Studium zurück nach Karlsruhe geführt?
In Konstanz habe ich ein Praktikum beim Elektrizitätswerk gemacht. Ich hatte mir überlegt dort an der Ingenieurschule Elektrotechnik zu studieren. Man sagte mir aber, dass das Studium an einer Technischen Hochschule bessere berufliche Möglichkeiten bieten würde. Nach Karlsruhe zurückzukehren war aber gar nicht einfach. Obwohl wir zu Beginn des Krieges in Karlsruhe lebten, durften wir nicht dorthin zurück. Das war nur mit einer Ausweisung möglich. So bin ich zum französischen Kommandanten gegangen und bat um eine Ausweisung. Der hielt es für verrückt, dass wir von dem unzerstörten Konstanz in eine zerbombte Stadt zurück wollen. Nachdem ich wieder in Karlsruhe war, konnte ich aber nicht gleich studieren. Viele Kriegsteilnehmer, die zurückgekehrt waren und 25 oder 30 Jahre alt waren, wollten ihr Studium fortsetzen oder ein Studium beginnen. Ich war noch nicht einmal 20 und sie sagten mir, dass ich ja noch jung sei. Ich hatte aber ein gutes Zeugnis und ein zweijähriges Praktikum vorzuweisen und so bekam ich ein Empfehlungsschreiben. Dann bin ich noch einmal in die Schule, um ein „richtiges“ Abitur zu machen. Eigentlich hätte ich das letze Jahr des Gymnasiums wiederholen sollen, aber ein anderer Schüler und ich durften dann nach nur einem halben Jahr unser Abitur absolvieren, so dass wir schon im Sommersemester mit dem Studium anfangen konnten. Am 2. Mai 1948 war dann mein erster Studientag.

Und wie erlebten Sie den Campus in den ersten Tagen?
Im Frühjahr 1948 musste ich vier Wochen bei Aufräumarbeiten helfen. In dieser Zeit fand auch der erste Ball nach dem Krieg in der alten Mensa statt. Da mussten wir Schutt wegräumen, damit am Abend gefeiert werden konnte.

Und dann kam die Währungsreform. Wie erlebten Sie diese Zeit?
Beim Aufräumdienst habe ich von einem Kommilitonen erfahren, dass man an der Westhochschule die Gebühren für das Vordiplom in zwei Jahren mit Reichsmark bezahlen konnte. Das habe ich dann natürlich gemacht, bevor das alte Geld keinen Wert mehr hatte. Am 19. Juni 1948 war der Ball der Fakultät für Elektrotechnik. Der 20. Juni 1948 war der Tag der Währungsreform. Die Reichsmark als Währung war somit weitgehend nutzlos. An dem Abend habe ich gesehen, wie Kommilitonen aus der Sowjetzone mit 20 Reichsmark-Scheinen Zigaretten angezündet haben, da ihr Geld im Westen über Nacht würde.

Mussten Sie Hörergebühren zahlen? Wie waren die Studienbedingungen?
200 Mark im Semester. Das war viel Geld. Meine Mutter hatte eine kleine Witwenrente, deshalb bekam ich ein Nachlass von 25 Prozent. Die Hörsäle waren voll besetzt, wie heute auch. Man saß auf dem Fußboden und auf Fensterbänken. Das Elektrotechnische Institut wurde gerade aufgebaut. Die Engler-Villa, ein Gebäude der Architekten und einige andere Gebäude waren vorhanden, aber die meisten Gebäude sind zu dieser Zeit erst entstanden.

Woran erinnern Sie sich besonders gern?
1951 haben wir eine große Exkursion nach Frankreich gemacht. Das war etwas ganz besonderes. Zusammen mit Professor Lesch vom Hochspannungsinstitut waren wir eine Woche unterwegs.

Und wie sah ihr Leben nach dem Studium aus?
Im Sommer 1952 war ich fertig. Es gab damals wenig Auswahl bei den Arbeitsplätzen. Ich habe dann eine Stelle bei AEG in Bad Cannstatt bekommen. Mitte Juni habe ich dort angefangen. Ich habe 440 DM brutto verdient. Das war viel Geld für mich. Gearbeitet wurde einschließlich Samstag, 48 Stunden in der Woche, 13 Tage Urlaub. Ich wollte aber nicht in Stuttgart bleiben, sondern zurück nach Karlsruhe. Über einen Bekannten bin ich 1953 zu Siemens gekommen. Dort war ich bis 1956. Privat verreise ich zwar gerne, aber beruflich wollte ich nicht in ein anderes Land. Damals dachte ich mir, dass die Stadtwerke wohl immer in Karlsruhe bleiben werden und habe mich dort beworben. Dort wurde ich als erster Ingenieur nach dem Krieg neu eingestellt. Ich bin bis zu meiner Pensionierung 1990 bei den Stadtwerken geblieben.

Halten Sie noch Kontakt zur Universität?
In meinen alten Hörsälen war ich als langjähriges Mitglied oft bei Vorträgen des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) Mittelbaden. Über meine Universität informiere ich mich über die Zeitung und besuche regelmäßig die Veranstaltungen „Universität im Rathaus“ und „Physik am Samstag“ – da erfährt man immer enorme Sachen über neueste Technik! Das Interesse ist auf jeden Fall noch da.