Interview mit Alumnus Aniceto Goraieb

Aniceto Goraieb

Beryllium gehört, besonders als Staub, zu den giftigsten nicht radioaktiven Elementen. Dennoch hat sich Alumnus Aniceto Goraieb mit seiner Firma auf die Handhabung dieses Erdalkalimetalls spezialisiert. Wie es dazu kam und warum während seines Studiums die Vorlesungen mitunter in einem Café stattfanden, berichtet er im Gespräch mit Elke Schmidt.

Herr Goraieb, Sie studierten in Karlsruhe Maschinenbau mit Vertiefungsrichtung Nukleartechnik. Wie kam es, dass Sie heute mit Ihrer Firma ein europaweit
einmaliges Labor für die Handhabung von Beryllium betreiben?

Ich habe mein Studium 1985 begonnen. Nach dem Vordiplom habe ich die Vertiefung „Kerntechnik“ gewählt und bin damit praktisch zur Physik gewechselt. Meine Studienarbeit hat sich mit der Auslegung eines Beschleuniger-Lattice für die Synchrotronstrahlungsquelle ANKA (die damals noch KSSQ hieß) beschäftigt.

1990 begann ich mit meiner Diplomarbeit am Institut für Neutronenphysik und Reaktortechnik (INR). Es ging um die Wärmeleitfähigkeit in Kugelschüttungen für einen Fusionsreaktor. Durch diese Arbeit kam ich auch in Berührung mit Beryllium als Neutronenvervielfacher. Die Arbeiten konnten aufgrund der Toxizität von Beryllium nicht im Forschungszentrum durchgeführt werden, deshalb zog ich mit meinem Experiment zur Interatom GmbH in Bergisch Gladbach um.

Interatom wurde Anfang der 90er Jahre geschlossen und ich war gezwungen mir mein eigenes Labor einzurichten. Deshalb habe ich 1993 – noch während meines Studiums – die Firma Goraieb Versuchstechnik (GVT) gegründet und ein Jahr später eine alte Bunkeranlage (Bau 454) im Forschungszentrum angemietet und renoviert. Diese Bunkeranlage wurde letztes Jahr in Zusammenarbeit mit dem FZK zu einem Hochsicherheitslabor umgerüstet.

Wo kommt Beryllium vor und welche Eigenschaften machen es so geeignet für den Einsatz im kerntechnischen Bereich?
Beryllium gehört zusammen mit Magnesium, Calcium, Strontium, Barium und Radium zu den Erdalkalimetallen. Die Häufigkeit ist vergleichbar mit der von Zinn, das Element kommt aber in der Natur nur in gebundener Form vor. Das wichtigste Berylliummineral ist der farblose Edelstein Beryll. Sehr bekannte Abarten des Berylls sind Smaragd und Aquamarin. Im vergangenen 20. Jahrhundert wurde Beryllium vorwiegend in Forschungsreaktoren und für den Einsatz in Nuklearwaffen verwendet.

Besonders hilfreich ist dabei die Eigenschaft des Berylliums, Neutronen zu reflektieren und zu vervielfachen. Dieses Verhalten macht das Material auch attraktiv für die Anwendung in zukünftigen Fusionsreaktoren wie z.B. dem Internationale Thermonukleare Experimental-Reaktor (ITER) der sich in Cadarache (Südfrankreich) im Bau befindet. Bei ITER soll auch die innere Wand, die die Fläche eines Fußballfeldes haben wird, aus Beryllium bestehen. Grund für diese Wahl ist die extreme Temperaturbeständigkeit (über 1.000 °C) bei niedriger Kernladungszahl. Hohe Kernladungszahlen machen ein Material stärker radioaktiv aktivierbar und sind zudem nachteilig für den Fusionsprozess. Beim ITER-Reaktor könnte durch den Einsatz solcher neuartigen Materialien möglicherweise die Halbwertszeit der Abfallprodukte minimiert werden. Dadurch kann letztlich die Wirtschaftlichkeit der Kernfusion gegenüber der Kernspaltung weiter gesteigert werden. Aufgrund seiner niedrigen Kernladungszahl und der hervorragenden Temperaturbeständigkeit sowie seiner Härte (härter als Stahl) findet Beryllium auch mehr und mehr Anwendung in der Luft- und Raumfahrttechnik, z.B. in den Fensterrahmen des „Space Shuttles”. Durch die Zusammenarbeit Ihrer Firma GVT mit dem KIT konnte auf dem Geländedes Campus Nord ein europaweit einzigartiges Labor für die Handhabung von Beryllium eingerichtet werden.

Warum gab es bisher keine vergleichbare Einrichtung, was macht den Umgang mit Beryllium so aufwändig?
Der Aufwand für die Handhabung ist groß, weil Beryllium in Staubform als giftigstes nicht radioaktives Element gilt und deshalb ähnliche Sicherheitsbedingungen wie im Umgang mit radioaktiven Stoffen geschaffen werden müssen. Eine solche Infrastruktur steht eigentlich nur innerhalb eines Forschungszentrums zur Verfügung. Deshalb war meine Entscheidung 1994 auch „einzugründen“.

Jüngst haben Sie mit dem Weltmarktführer für Beryllium ein Memorandum of Understanding für eine künftige Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Beryllium-Produkten unterschrieben. Welche Ziele wurden darin festgelegt und was bedeutet die Unterzeichnung für die Zukunft des Standortes Karlsruhe?
Das „Memorandum of Understanding“ bezieht sich auf einen  Kooperationsvertrag.

Die Firma Brush Wellman hat in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Kleinstmengen Legierungen aus Beryllium und anderen Metallen hergestellt. Diese waren für den militärischen Einsatz gedacht und unterlagen strikter Geheimhaltung. Wir bekommen die Proben und die Unterlagen von damals zur Verfügung gestellt und können diese am KIT genauer untersuchen. Etwa 40 Legierungen sind bekannt, aber wenig erforscht und damit hoch interessant. Mit unserer geplanten Pilotproduktionsanlage können wir dann einzelne, vielversprechende Legierungen erneut herstellen und den Wissenschaftlern zur Verfügung stellen. Brush Wellman ist außerdem bereit Berylliden (Berylliumlegierungen) bis zu einer Menge von etwa 50 kg/Jahr bei uns zu beziehen. Da der Preis zurzeit etwa bei dem von Gold liegt, wäre es uns dadurch möglich Geld für eine weitere Verbesserung der Infrastruktur zu erwirtschaften.

Wie ist Ihnen Ihr Studium an der Universität Karlsruhe in Erinnerung geblieben? Denken Sie gerne daran zurück?
Das studentische Leben in Karlsruhe hat mir sehr gefallen. Ich habe 10 Jahre studiert- 20 Semester. Davon waren 6 Semester Diplomarbeit, 2 Semester Studienarbeit und 3 Urlaubssemester für die Gründung der Firma. Ich habe studiert weil es einfach Spaß macht - ans Geld verdienen habe ich dabei zuletzt gedacht. Ich hatte ein besonderes Verhältnis zu meinen Professoren, vor allem zu Prof. Rolf Klingelhöfer (Kernfusion, Plasmaphysik) und Prof. Mario Dalle-Donne (Blanketentwicklung, Thermodynamik).

Als letzte Kerntechniker waren wir in manchen Vorlesungen nur 2 Studenten, eine Vorlesung hörte ich sogar alleine - die haben wir meist in ein Café verlegt. Natürlich erwarteten die Professoren - die zum Teil schon in Rente waren - viel, andererseits ist der einzige Student zu sein ein großes Privileg. Aus diesem Grund würde ich mich freuen, wenn in Karlsruhe das Verhältnis von Professoren zu Studenten erheblich steigen würde - vielleicht vergleichbar zu amerikanischen Universitäten wie dem MIT. Heute könnte man so lange gar nicht mehr studieren, weil beim Bachelor alles viel „verschulter“ ist. Trotzdem glaube ich, dass die Universitäten auf einem guten Weg sind, wenn die Studiengänge noch modularer werden - ich profitiere selbst davon in meinem berufsbegleitenden Studium. Lebenslanges Lernen finde ich faszinierend, deshalb studiere ich auch immer weiter - zur Zeit in Osnabrück „Master Thesis in Hochschul- und Wissenschaftsmanagement“. Und möglicherweise bekomme ich ja selbst irgendwann die Chance, in meinem Fachgebiet zu lehren. Am KIT lehren zu dürfen ist persönlich mein größter Wunsch.